Obdachlos. Weiblich*. Psychisch krank.

Ein Leben am Rand der Gesellschaft

„Versteckte Wohnungslosigkeit“ wird meistens mit Frauen* in Verbindung gebracht – etwa, weil sie in gewaltbehafteten Beziehungen verbleiben, um ihre Existenzgrundlage nicht zu verlieren. Geht es aber um psychische Leiden, so wird die Not noch unsichtbarer, das Tabu größer und das Leben noch schwerer zu bewältigen.
Von: Samuel Kok

Erstmals erschienen im Armendienst 01/2022

Psychische Erkrankungen in Verbindung mit Obdachlosigkeit gehören noch immer zu Tabu-Themen (c) Pixabay

VinziDach – Housing First Salzburg ist eine ambulante Wohnbetreuungseinrichtung, die langzeitwohnungslosen Personen mit Doppeldiagnose (psychische Erkrankung und Suchterkrankung) vier Jahre lang sozialarbeiterisch begleitet. Neben der täglichen Arbeit mit den Bewohner*innen und Kandidat*innen engagieren sich unsere Mitarbeiter*innen auch im Forum Wohnungslosenhilfe Salzburg, einem Netzwerk von Salzburger Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe. Das Engagement ist aus zwei Gründen wichtig: Zum einen werden die Herausforderungen, Probleme und Chancen von bedürftigen Menschen ganzheitlicher erkundet als das in der alltäglichen Arbeit möglich ist. Zum anderen können Einrichtungen gemeinsam für ein würdevolles Leben der betroffenen Menschen eintreten und sich so besser Gehör verschaffen. Eine Arbeitsgruppe beschäftigt sich aktuell mit den Lebensumständen von langzeitobdachlosen Frauen* mit psychischen Erkrankungen.

Im Salzburger Stadtgebiet gibt es aktuell 48 Wohnungs- und Obdachlose Frauen* auf die das zutrifft und die unter elenden Umständen leben. Der Alltag der Betroffenen ist von Diskriminierung und Abhängigkeit geprägt: Die wenigsten Frauen* haben ein unterstützendes Netzwerk von Freund*innen oder Verwandten. Stattdessen müssen sie jeden Tag nach einem Schlafplatz suchen, um nicht im Freien nächtigen zu müssen. Für eine Nacht in einem warmen Bett begeben sich viele der Frauen* in Abhängigkeitsverhältnisse. „Wenn ich länger als eine Nacht wo unterkomme, geht man mir entweder an die Wäsche, oder ans Geld!“, berichtet eine Betroffene. Auch Gewalt ist ein immerwährendes Thema, vor allem, wenn Nächte im Freien verbracht werden müssen. Das Leben der betroffenen Frauen* ist stark durch ihre (mehr oder weniger offensichtliche) psychische Erkrankung beeinträchtigt: Manche werden von Passant*innen bewusst gemieden, andere nutzen die Vulnerabilität der Frauen* boshaft aus. Viele sehen nur in der Sucht einen Ausweg aus dem mit Scham und Schmerzen behafteten Alltag. Das (Über-) Leben der betroffenen Frauen* erfolgt fernab jeder Würde am äußersten Rand der Gesellschaft.

Aus vielfältigen Gründen haben Betroffene große Schwierigkeiten, bestehende Hilfsangebote zur Bewältigung ihrer existenziellen Notlage zu nutzen. Bei VinziDach finden von 50 aktiven Betreuungen nur 8 mit Frauen* statt. Es braucht daher innovative und zielgerichtete Angebote, um diese besonders vulnerablen Personen besser unterstützen zu können. Ziel ist es, den betroffenen Frauen* ein würdevolles Leben in den eigenen vier Wänden zu ermöglichen – dafür setzt sich die Arbeitsgruppe weiterhin ein.