In keinem Bereich des Lebens wird das Thema Armut so sichtbar wie beim Thema Wohnen. Nach nun bereits einem Jahr Corona-Krise, welche unser tägliches Miteinander so einschneidend prägt und ohne Zweifel auch Armut im materiellen Sinne weiter vorantreibt, ist es nicht einfach, zuversichtlich in die Zukunft zu blicken. Was ist Armut, was bedeutet sie für die betroffenen Personen, was bedeutet es für uns in der täglichen Arbeit mit Menschen, die von Armut und Ausgrenzung betroffen sind?
Von: Bettina Neumayer
Dieser Beitrag erschien zuerst in der Zeitschrift Armendienst 36/1 im März 2021
Möchte man sich dem Thema Armut nähern, bleibt es nicht aus, sich die Zahlen anzusehen. Laut Statistik Austria lag die Armutsgefährdungsschwelle im Jahr 2019 bei einem Pro-Kopf-Einkommen von 1.286 Euro im Monat. Laut dieser Definition betrug die Quote der Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung für das Jahr 2019 16,9%. Wie sich diese Werte für das Jahr 2020 darstellen, kann man nur vermuten.
Doch nicht nur die Corona-Krise ist ein Brandbeschleuniger in Richtung Armut und Wohnungslosigkeit, aktuell zu nennen sind auch die Auswirkungen der Umstellung von der Bedarfsorientierten Mindestsicherung auf das neue Sozialunterstützungsgesetz mit Beginn dieses Jahres. Das „SUG“ räumt zwar einen erhöhten Wohnaufwand ein, bringt jedoch auch viele neue Hürden bei der Antragstellung mit sich. Auch hier sind die Auswirkungen noch nicht messbar, doch bereits nach dem ersten Monat ist vielen betroffenen Menschen klar: Es bleibt weniger Geld zum Leben. Für viele der betroffenen Personen, die – aus welchen Gründen auch immer – unter der Armutsgrenze leben, stellt sich die Frage nicht mehr, ob das Glas halb voll oder halb leer ist. Das Glas ist leer – und das schon lange. So ist Armut nicht nur objektiv in Zahlen zu messen, Armut und Ausgrenzung sind ebenso subjektiv empfundene Tatsachen.
Der Verlust von Arbeit, Familie, Wohnung und Hoffnung sind Themen, die uns in unserer täglichen Arbeit begleiten. Bei Personen, die von Wohnungs- oder Obdachlosigkeit betroffen sind, wird Armut sichtbar, und damit gesellschaftlich unangenehm; sie ist stigmatisierend, sie grenzt aus.
VinziDach – Housing First Salzburg arbeitet mit akut obdachlosen Personen und begleitet diese in ihre – von der Stadt Salzburg zur Verfügung gestellten – Wohnungen. In einer Stadt, in der Wohnungsknappheit und horrende Mietpreise eine extreme Belastung für viele Menschen darstellen (nicht nur jene, die von Armut und Ausgrenzung betroffen sind), bedeutet für unsere Bewohner*innen eine eigene kleine Wohnung die Chance auf ein menschenwürdiges Leben, auf Sicherheit, Gesundheit. Eine Wohnung bedeutet nicht zuletzt auch Hoffnung.
Die von Armut betroffenen Menschen, mit denen ich täglich arbeiten darf, halten an ihrer Hoffnung fest. An dieser Stärke möchte ich mir ein Beispiel nehmen. Denn bei all den äußeren Umständen, die sich augenscheinlich gegen die Ärmsten unserer Gesellschaft richten, bedeuten Hoffnung, Zuversicht und Glaube an ein besseres Leben alles.