Vinzigarten einst und jetzt: Wo liegt der Wert?

Zuerst erschienen im „Armendienst in Österreich“, Jahrgang 38/3, im August 2023

Am Wilhelminenberg stürmen über 80 Kinder täglich den „Vinzigarten“ – den einzigen Kindergarten in Wien mit 12.000 Quadratmetern Garten, mit Spielgeräten, Verkehrsübungsplatz, Sandkiste, Hochbeet und einem riesigen Baumbestand. Grund genug, einen Blick auf die Entstehungsgeschichte zu werfen.

Bild von Mircea – All in collections auf Pixabay

Werfen wir zunächst einen Blick auf die Entstehungsgeschichte des „Vinzigartens“

1901Gründung der Knaben- und Mädchen-Beschäftigungsanstalt Breitenfeld „durch den im Jahre 1918 verstorbenen Herrn Rechnungsrat Ludwig AICHMANN in den gemieteten Räumen des Graf Windhakschen Stiftungshauses, VIII Uhlplatz 3.“ Dies geschah „in dem Bestreben, den Kindern ein gemeinsames Heim zu schaffen und sie in diesem vor den Gefahren der Straße zu schützen, nützlich zu beschäftigen, zu erziehen und zu erhalten.“  (Zitat aus dem Protokoll einer Vorstandssitzung vom 12. Oktober 1931)
1903Um nun den Kindern in den Sommermonaten, besonders während der Ferienzeit Bewegungsfreiheit, Zerstreuung und Erholung zu ermöglichen, wurde vom Gründer der Anstalt vom Jahre 1903 die Kindererholungsstätte XVI. Steinhofstrasse 70 mit seinen Baulichkeiten und Kulturen, derzeit bestehend aus: 1 Villa für den Aufenthalt der Verwaltung und des Lehrkörpers, ein Glaspavilon für den Aufenthalt der Kinder zur Einnahme der Mahlzeit und bei schlechtem Wetter, ein Blockhaus für den Küchenbetrieb, Obstkulturen mit rund 200 Bäumen, Turn- und Spielplätze mit eingebauten Spielgeräten im Gesamtausmasse von rund 15.000 m² käuflich erworben.“ (Zitat aus dem Protokoll einer Vorstandssitzung vom 12. Oktober 1931)
 
Weiters wurden ca. 5.000m² vom Ehepaar Flor gekauft. Darauf befand sich das Blockhaus für den Küchenbetrieb, Steinhofstraße 70.
19099.970 Quadratmeter wurden von der Gemeinde Wien zur Errichtung eines Spielplatzes auf unbestimmte Zeit gepachtet. Steinhofstraße 68. Zu einem späteren Zeitpunkt konnte das Areal von der Gemeinde Wien gekauft werden.
1918Nach dem Tod von Rechnungsrat Ludwig Aichmann im Jahr 1918 wurde die Verwaltung und Erhaltung beider Kinderheimstätten vom neugewählten Obmann der St. Vinzenzkonferenz der Pfarre Breitenfeld Karl KAFKA mit einem Komitee von sechs Mitgliedern übernommen.

Was vor über 120 Jahren als Tagesbleibe für Straßenkinder geschaffen wurde, ist heute eine hochwertige Bildungsstätte für Kinder zwischen einem und sechs Jahren (Vorschulkinder).

Die Zustände und die Gesellschaft in Struktur und Ausübung haben sich seither geändert. Während der Standort Uhlplatz 3 der St. Nikolaus-Kindergartenstiftung übergeben wurde, wurde der Standort Steinhofstrasse, der nach dem 2. Weltkrieg in Johann-Staud-Straße umbenannt wurde, vom Sommerbetrieb zum Ganzjahresbetrieb ausgebaut. Der Ganzjährige Kindergartenbetrieb befindet sich in einem Neubau und begann 1996 mit zwei Kindergruppen und wird zurzeit mit fünf Gruppen geführt. Zwei davon sind für die Kleinsten im Alter bis drei Jahren, eine Familiengruppe (Kinder zwischen einem und fünf Jahren) und zwei weitere mit Kindern von drei Jahren bis Schulbeginn-Alter vervollständigen das Angebot.

Insgesamt werden zwischen 90 und 100 Kinder von hochwertig geschulten Pädagog*innen und Assistent*innen sowie Hauspersonal nach zeitgemäßen Maßstäben betreut.

Vinzigarten heute

Der Kindergarten zeichnet sich durch sein großes Außenareal aus, welches vielfältig genutzt wird (Spiel, Bewegung mit und ohne Geräte, Naturkunde und Kulturpflege inkl. Ernte).

Für unsere Kinder greift die erste Stufe eines lebenslangen Lernprozesses. Für die nunmehr kleinen Familienverbände sind das Gruppenerlebnis und der Umgang mit Anderen in den verschiedensten Aufgabengebieten von großer Bedeutung für die soziale und psychische Entwicklung und die späteren Aufgaben der Menschen. Dazu gehört etwa die sprachliche Entwicklung, gefördert durch den Dialog untereinander und mit den Betreuer*innen. Desweiteren wird die Phantasie angeregt und verschiedene Fertigkeiten im Rahmen der Bastelarbeiten gefördert. Den Kindern wird je nach Altersstufe auch Wissen vermittelt. Das Angebot an Lernmaterial ist im Kindergarten sehr groß und wird thematisch den Kindern zur Verfügung gestellt.

Von ganz großer Bedeutung ist jedoch, dass den Kindern Liebe und Vertrauen entgegengebracht wird und dass man ihnen zuhört. Nicht der Zeigefinger ist das Werkzeug zur Bildung des Menschen sondern das tätige Verhalten, nicht schimpfen sondern erklären auf dem jeweiligen Niveau. Kinder sind ungemein aufnahmefähig für die Besonderheiten des Umfeldes und für alle Nuancen des Verhaltens der betreuenden Personen. Die Mitarbeiter*innen besuchen laufend Fortbildungskurse, um die aktuellen pädagogischen Erkenntnisse in ihrer täglichen Arbeit mit den Kindern einzusetzen.

Bei unseren Elementarpädagog*innen und Assistent*innen handelt es sich um besonders sensibilisierte Personen, die von unserer Kindergartenleiterin gewissenhaft ausgesucht werden und bei der Arbeit im Team der einzelnen Gruppen und der Gesamtbelegschaft ausgezeichnet fungieren. Letztendlich bedarf es aber der Liebe zum Beruf.

Das Ergebnis dieser Bemühungen soll ein glücklicher Start der Kinder in die nächsthöheren Lernstufen sein. Nicht zuletzt sind wir die Basis für ein glückliches selbstbestimmtes Leben mit einem hohen Selbstwertgefühl. Das soll auch Basis für die Meisterung von problematischen Situationen im eigenen Leben, in der Gesellschaft und im Beruf sein.