Zuerst erschienen im „Armendienst“, Jahrgang 39/5, im Dezember 2024
Am 30.09.2024 ging das erfolgreiche, vom Sozialministerium geförderte Projekt „housing first österreich“ zu Ende. In nur zehn Monaten fanden 112 Menschen durch das Programm ein neues Zuhause und umfassende sozialarbeiterische Unterstützung. Einer der Teilnehmenden lud uns in seine Wohnung ein, um Einblicke in sein neues Leben zu gewähren. Von: Marlene Weninger
Herr Ivan steht winkend auf dem Balkon seiner neuen Wohnung, als wir vor dem Haus ankommen. Seit Juni ist er Teil des Projekts „housing first österreich“, das wohnungslosen Menschen dabei hilft, wieder in den eigenen vier Wänden zu leben.
Herr Ivans Lebensweg war alles andere als einfach. In der Vergangenheit war er immer wieder ohne festen Wohnsitz, schlief zeitweise im VinziTel und verbrachte auch Zeit in Haft. „Als Kind hab’ ich in Heimen gelebt und meine letzte Wohnung konnte ich nicht mehr halten“, erzählt er, während wir uns in seinem hellen Wohnzimmer unterhalten.
Heute umgeben ihn gemütliche Möbel: eine Couch, ein Wohnzimmertisch mit einem Teppich darunter und in der Ecke steht eine Gitarre – ein Geschenk seines Bruders. „Der Teppich ist neu. Und seit zwei Wochen hab’ ich jetzt sogar eine Küche“, sagt Herr Ivan stolz. „Es fehlen nur noch ein bisschen Besteck und Kochtöpfe.“
Am 2. August ist Herr Ivan in die neue Wohnung eingezogen, doch damit war es noch lange nicht getan. Er musste Anträge stellen, Formulare ausfüllen und Möbel organisieren. „Ich hab’ keinen Computer und auch keinen Drucker“, erklärt er. „Frau Bauer und Frau Holzmann vom Projekt haben mir dabei geholfen.“ Anfangs stand nur eine Waschmaschine in seiner Wohnung. Die Wohnwand bekam er von einem anderen Projektteilnehmer. „Die hat er nicht mehr gebraucht, und Frau Holzmann hat das für mich organisiert.“
Ein eigenes Zuhause zu haben bedeutet für Herrn Ivan weit mehr als nur ein Dach über dem Kopf. „Jetzt hab’ ich hier wirklich mein Zuhause. Die Lage ist super, den ganzen Tag ist es sonnig und ruhig. Und wenn ich will, kann ich im Park mit den Nachbarn Tischtennis spielen.“ Durch das Projekt hat Herr Ivan auch Freund*innen gefunden. „Einen von ihnen besuche ich oft auf einen Kaffee.“ Die Unterstützung durch die Sozialarbeiter*innen des Projekts war von Beginn an eine wichtige Begleitung. „Am Anfang hatte ich jede Woche Termine mit Frau Bauer, weil so viel zu erledigen war. Jetzt hören wir uns alle zwei Wochen oder wenn ich es brauche.“ Hilfe bekommt er auch bei seinen nächsten Vorhaben: „Ein Bett und ein Schrank fehlen noch. Der Rücken macht mir zu schaffen, da brauche ich was G’scheites zum Liegen. Frau Bauer hilft mir beim Möbelkauf.“
Durch housing first österreich ist für Herrn Ivan vieles leichter geworden. Die nötige Unterstützung im Alltag, eine sichere Wohnung und die Möglichkeit, sich auf seine Gesundheit zu konzentrieren – all das gibt ihm Sicherheit und Zuversicht. „Ich fühle mich hier wohl und kann endlich sorgenfrei leben. Meinen Freund*innen, die noch auf der Straße sind, sage ich immer: ‚Geht’s zum Projekt! Die helfen wirklich weiter!‘ Ich bin selbst das beste Beispiel dafür, wie gut das funktioniert.“
housing first österreich ist nun ein Projekt des Sozialministeriums!
Am 30.09.2024 ist mit „housing first österreich – zuhause ankommen“ ein sehr erfolgreiches, vom Sozialministerium gefördertes Projekt zu Ende gegangen. Innerhalb der sehr kurzen Laufzeit von Dezember 2023 bis zum heurigen September konnten in der Steiermark durch das Zusammenwirken der vier Trägerorganisationen Wohnplattform Steiermark, Caritas Steiermark, Jugend am Werk Steiermark und VinziWerke 112 Personen in 53 Wohnungen vermittelt werden. Fast 50 von ihnen waren mitziehende minderjährige Kinder und beinahe 60% der unterstützten Personen waren Frauen* und Mädchen. Von: Mirjam Bauer
Neben sozialarbeiterischer Beratung und Begleitung unter hohen fachlichen Standards konnten auch Finanzierungsbeiträge und Kautionen für Wohnungen aus Projektmitteln bezahlt werden. Diese Zahlungen stellen eine große Hürde für Menschen, die von Armut und Wohnungslosigkeit betroffen sind, dar. Dass hierfür ein Budget im Projekt vorgesehen war, stellte sich als ein wichtiger Garant dafür dar, relativ rasch so viele Menschen in eigene Wohnungen vermitteln zu können. Die Kaution für die letzte Wohnung wurde gerade noch rechtzeitig vor Projektende, am 30.09.2024, für ein Paar, das kurz vor der Geburt ihres gemeinsamen Kindes stand, angewiesen. Somit konnte die Wohnungslosigkeit für die junge Familie rasch abgewendet werden.
Mehr als die Hälfte der vermittelten Wohnungen stammte aus dem gemeinnützigen und knapp 30 Prozent aus dem privaten/gewerblichen Sektor. Einige Personen hatten auch einen Anspruch auf Gemeindewohnungen. Wir möchten uns an dieser Stelle bei allen Genossenschaften, Hausverwaltungen, Vermieter*innen und Stellen bedanken, die ihrerseits dazu beigetragen haben, Menschen, die von Wohnungslosigkeit bedroht oder betroffen waren, rasch ein Dach über dem Kopf zu geben.
Bilanz des Vorgängerprojekts
Das Projekt housing first österreich ist zwar zu Ende gegangen, wurde aber in ein Programm übergeführt. Durch unser bestehendes Projekt Solido und der sehr erfolgreichen Tätigkeit im Projekt housing first österreich – zuhause ankommen blicken wir mittlerweile auf insgesamt sieben Jahre Erfahrung im Bereich Housing First zurück. Daher freut es uns sehr, dass wir auch über das neue Programm housing fist österreich weiterhin sozialarbeiterische Beratung und Begleitung für Menschen anbieten können, die von Wohnungs- und Obdachlosigkeit betroffen sind und in eine eigene Wohnung ziehen möchten. Die durch das vorangegangene Projekt gelebte und kultivierte Zusammenarbeit mit der Wohnplattform Steiermark, der Caritas Steiermark und Jugend am Werk Steiermark hat sich auf vielen Ebenen als wichtig und hilfreich erwiesen. Zum einen profitierten alle Trägerorganisationen und deren Mitarbeiter*innen durch den fachlichen Austausch sowie das voneinander lernen. Da wir auch einen gemeinsamen Journaldienst für Anfragen organisiert und betrieben haben, profitierten auch unsere Netzwerkpartner*innen, zuweisende Stellen sowie allen voran die Menschen, die unsere Unterstützung brauchten, vom verhältnismäßig leichten Zugang zum Projekt housing first österreich. Aus diesen Gründen ist auch im neuen Programm eine gemeinsame Zusammenarbeit und Abstimmung unter den Trägern angedacht. Auch bei ihnen möchten wir uns an dieser Stelle für die hervorragende Kooperation bedanken und freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit.