Zuerst erschienen im „Armendienst in Österreich“, Jahrgang 38/5, im Dezember 2023
Niemand hat den Baum gesehen, bevor das Glöckchen geläutet hat. Dann sind wir vor dem Christbaum gestanden, um den das Christkind viele Geschenke gelegt hatte. Mein Vater hat das Weihnachtsevangelium vorgelesen und wir haben alle „Stille Nacht“ gesungen. Voll Freude und Spannung haben wir uns über die Päckchen hergemacht, danach gab‘s unser traditionelles Weihnachtsessen. So war Weihnachten in meiner Kindheit, so war es, als meine Kinder klein waren und so ist es immer noch bei uns zuhause. Ein bisschen von diesem Gefühl möchten wir auch unseren Gästen im Haus Rosalie vermitteln. Von: Barbara Goricki-Gubo
Die Weihnachtszeit ist für Menschen ohne eigenem Zuhause immer sehr herausfordernd. Den Verlust von Wohnung oder Partner*in, vom sozialen Netz oder Familienzusammenhalt spürt man zu dieser Zeit besonders stark. Im Haus Rosalie bemühen wir uns, den Bewohnerinnen* diese Zeit so schön wie möglich zu gestalten. Das beginnt mit einem wunderschönen Adventkranz, den uns seit Jahren unsere ehrenamtliche Mitarbeiterin Annemarie mitbringt. Eine riesengroße Krippe, die wir gespendet bekommen haben, hat in der Adventzeit ihren fixen Platz im Wohnzimmer und das Haus wird weihnachtlich geschmückt. Auch „Christkindlbriefe“ dürfen nicht fehlen. Im Zuge des wunderschönen Projekts „Wichtel Challenge“ darf sich jede Bewohnerin* etwas wünschen. Während der Adventzeit trudelt so Päckchen für Päckchen ein und die Vorfreude steigt. Es werden Kekse gebacken und gemeinsam wird überlegt, welches Weihnachtsessen gekocht werden soll. Einige Tage vor Weihnachten kommt der Baum und wer Lust hat, darf ihn schmücken.
Am Heiligen Abend komme ich am späten Nachmittag ins Haus. Es duftet bereits gut nach unserem Weihnachtsmenü. Ich schleiche mich ins Wohnzimmer. Der Tisch ist liebevoll weihnachtlich gedeckt und unter dem prächtig geschmückten Christbaum türmen sich die Weihnachtsgeschenke. Ich schalte die Lichter am Christbaum ein und läute das Glöckchen.
Egal, welches Alter oder welche Religionszugehörigkeit, alle lauschen andächtig dem Weihnachtsevangelium und danach singen wir „Stille Nacht“. Die Freude über die liebevoll verpackten Geschenke ist groß, unabhängig davon, ob das Gewünschte, Socken oder Haarshampoo zum Vorschein kommt.
Nach dem Essen fahre ich heim, um mit meiner Familie zu feiern. Jedes Jahr bin ich wieder unheimlich dankbar dafür, dies tun zu können und ich hoffe von ganzem Herzen, ein bisschen von meiner Freude und Weihnachtsstimmung unseren Frauen* im Haus Rosalie weitergegeben zu haben – und sie so wenigstens für kurze Zeit ihre Sorgen und Nöte vergessen zu lassen.