Basis für neuen Mut

Die VinziWerke kennen ihre Herkunft und das ist in diesen Krisenzeiten sehr gut so. Dabei ist eine große Stärke und Tradition, dass wir ganz konkret und unbürokratisch helfen, ohne dass wir unser Engagement von der Herkunft der in notgeratenen Menschen abhängig machen. Begleiten wir Menschen länger, werden deren Hintergründe oft deutlicher und ihre Notlage verständlicher.

Von: Rafael Kirchtag

Dieser Beitrag erschien zuerst in der Zeitschrift Armendienst 37/5 im Dezember 2022

(c) pixabay

Oft ist das Gemisch aus materiellen, sozialen und seelischen Problemen so überwältigend für Menschen, dass sie keine Orientierung mehr haben und nicht mehr weiterwissen. Sie haben die Arbeit verloren, später auch noch ihren prekären Wohnplatz. Die Beziehungen sind auch nicht so tragfähig wie gedacht. Das wenige Geld, dass sie bekommen reicht kaum für das Notwendigste. Und dazu die nagende Frage: Was habe ich falsch gemacht?

So stehen die Menschen vor unseren Einrichtungen. Da bieten wir unsere ganz konkrete Hilfe an: Häuser, in denen man gut versorgt ist, mit einem guten und sicheren Schlafplatz, mit warmen Essen, Waschmöglichkeiten, usw., aber auch mit freundlichen und aufmunternden Worten. Und wir geben Zeit um zur Ruhe zu kommen, erste Schritte der „Kräftigung“ werden ermöglicht ohne den Druck sich erklären zu müssen oder sofort wieder hundertprozentig handlungsfähig zu sein.

Vor einigen Jahren haben wir einen jungen Mann in einer Notschlafstelle aufgenommen, der anfangs offensichtlich in einer sehr belastenden Situation und sehr zurückgezogen war. Wir haben ihn grundversorgt, später auch dazu eingeladen, ein wenig mitzuhelfen. Er hat das gerne angenommen und über das gemeinsame Tun ist das Vertrauen gewachsen und er erzählte den Mitarbeiter*innen etwas von seiner Geschichte. Es ging so weit, dass wir ihm eine Lehrstelle vermitteln konnten und ein paar Jahre später eine kleine Wohnung. Eine Erfolgsgeschichte! Vor ein paar Monaten stand er wieder vor einer Notschlafstelle bei uns und bat um einen Platz. Ohne viele Fragen zu stellen, haben wir ihn wieder aufgenommen. Er kann sich bei uns wieder stabilisieren und inzwischen hilft er wieder mit. Wir wissen, dass er in einer Familie von sogenannten „Mietnomaden“ aufgewachsen ist. Das heißt, dass die Personen in eine Wohnung einziehen und kaum Miete zahlen und in relativ kurzer Zeit eine nächste Wohnung suchen müssen und sich diese Vorgangsweise wiederholt. Dass ein Aufwachsen in so einer Familie die Entwicklung eines stabilen selbständigen Wohnens erschwert, ist für uns nachvollziehbar. Wir wissen nicht, wie es für den jungen Mann weitergeht. Aber wir nehmen ihn an, so wie er ist und das bildet die Basis dafür, dass er wieder neuen Mut fassen kann, um sein Leben in seine Hand zu nehmen.

Die Hintergründe der Menschen zu kennen, die bei uns Hilfe suchen, ist sicher nützlich. Unsere konkrete und unbürokratische Hilfe ist aber davon nicht abhängig.