Gelebte gesellschaftliche Solidarität bei den VinziWerken
Von: Nicola Baloch, Stv. Koordinatorin der VinziWerke Österreich
Dieser Beitrag erschien zuerst in der Zeitschrift Armendienst 36/3 im Oktober 2021

„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Solidarität begegnen“, heißt es im Artikel 1 der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. „Ja, eh,“ denke ich mir zunächst als privilegierte Bildungsbürgerin mit einer beruflichen Einbindung, finanzieller wie sozialer Absicherung und einem dicht gestrickten sozialen Netz an Familie, Freund*innen und Rechten, das mich im Falle des Strauchelns auffängt. Dass dies nicht selbstverständlich ist und lange nicht für alle Menschen gilt, war mir schon vor meinem beruflichen Einstieg bei den VinziWerken bewusst. Lange Jahre habe ich mich für die soziale Integration von Migrant*innen in Österreich engagiert. Beruflich wie ehrenamtlich.

Nun sind es in erster Linie Österreicher*innen, die von Wohnungs- und Obdachlosigkeit, von sozialer Ausgrenzung, vom mangelnden Netz und Netzwerken betroffen sind, mit denen ich zu tun habe. Eigentlich indirekt in der Arbeit als stellvertretende Koordinatorin der VinziWerke Österreich, auf einer theoretischen Ebene im Sozialmanagement hatte ich mir gedacht. Aber schon am ersten Tag wird es ganz konkret als Pfarrer Pucher von der hässlichen Armut spricht, die es in Österreich gibt und die keiner sehen will und von den versteckten Armen, Migrant*innen, die nach dem Instanzenweg abgelehnt und rechtlos trotzdem in Österreich leben, nicht einmal geduldet, sondern im Verborgenen ohne jegliche Unterstützungsmeachanismen, die greifen würden.
Konkret und gar nicht mehr theoretisch wird es auch, als ich die ersten Kontakte in der Anlaufstelle mit hilfesuchenden Menschen habe. Da kommen Menschen, die nicht genug zu essen haben. Denen gegen Ende des Monats das Geld ausgeht und die hungrig sind, die nicht das Geld haben, um ihre Medikamente zu bezahlen, die beschämt sind. Sie haben Scham ihre Situation zu erklären, ihre Geschichte zu erzählen, vielleicht schon zum dritten Mal von Anlaufstelle zu Anlaufstelle immer auf der Suche nach Unterstützung und oft nicht erfolgreich, weil sie nicht in die Zielgruppe fallen, weil ihr Anliegen nicht unterstützt werden kann. Ihnen allen begegne ich höflich und aufmerksam, biete ihnen Platz an und Raum sich auszudrücken. Ich frage nach, höre zu und erfahre so ihre Anliegen und woran es fehlt. Nach Möglichkeit helfen wir, zahlen etwas zur Miete dazu, wenn es gar nicht mehr ausreicht, vergeben wir Gutscheine für den VinziMarkt und den VinziShop für leistbares Essen und Kleidung, manchmal auch etwas Bargeld, um den akuten Bedarf stillen zu können. Da wo niemand mehr hilft, greifen wir ein und schicken die Menschen nicht mit leeren Händen fort. Manche vermitteln wir in unsere Einrichtungen für ein Dach über den Kopf, das für begrenzte Zeit aber doch wenn nicht zur Heimat dann doch zu einer sicheren Bleibe wird.
Auch mit dem VinziBus durfte ich bereits an einem regnerischen Sonntag mitfahren. An jedem Stopp im Augarten, am Jakominiplatz und am Bahnhof warteten schon bis zu 10 Menschen auf einen Tee, ein paar Wurstsemmeln und Süßes Altbackenes vom Auer. Mehr noch aber auf ein paar nette Worte, ein kurzes Gespräch, darauf ihre Geschichte erzählen zu dürfen, auf ein offenes Ohr und ein paar aufmunternde Worte. Die Dankbarkeit ist greif- und spürbar. Ich bekomme mehr als ich gegeben habe.

Nun wieder zurück im Büro mit meinen netten wie kompetenten Kolleg*innen bemühe ich mich doppelt, durch die Koordination die Rahmenbedingungen zu schaffen, dass alle Rädchen gut ineinander greifen können, dass „Vinzi“ in all seinen Einrichtungen und Initiativen reibungslos funktionieren kann und sich die Unterstützenden selbst unterstützt fühlen. Eine schöne Aufgabe zwischen direkter Hilfe und Arbeit im Hintergrund. Ich weiß für mich, dass ich gut angekommen bin in den VinziWerken und dass ich hier gesellschaftliche Solidarität gut leben kann. Das stärkt und gibt Sicherheit in einem breit aufgestellten Netzwerk an Helfer*innen und Partner*innen. Danke dafür!