Armut-Teilhabe

Armut, was bedeutet das? Heißt das sich nichts zu essen kaufen können, heißt das auf der Straße schlafen müssen?

Die VinziDorf-Bewohner* bei ihrem Ausflug (c) VinziWerke

Natürlich heißt es das! Armut bedeutet aber auch, nicht an für die meisten von uns alltäglichen Dingen teilhaben zu können. Nicht einfach einmal so am Wochenende einen Ausflug auf die Alm oder in einen Tierpark zu machen, weil kein Geld für den Eintritt vorhanden ist, weil kein Fahrzeug vorhanden ist, weil, weil …

Unsere Bewohner teilhaben zu lassen an Dingen, die für viele von uns einfach selbstverständlich sind, ist uns wichtig. So konnten wir im August unseren Männern endlich wieder die Möglichkeit zu einem Ausflug bieten. Morgens starteten wir auf die Teichalm wo wir dem – für August eiskalten – Wind trotzten und eine schöne Runde um den See spazierten. Dann belohnten wir uns beim Teichwirt mit einem warmen Kaffee oder aber einem kalten Bier. Nach einer weiteren Runde um den See fuhren wir weiter zum Straßeggwirt, vielen bekannt als Station am Mariazeller Pilgerweg. Unser gemütliches Zusammensitzen mit einem tollen Mittagessen fand seinen krönenden Abschluss durch den Wirt, Herrn Rudi, der seine Harmonika und einiges an anderen Instrumenten (Waschrumpel, Schellen, Ratschen) herausfischte und mit den Männern gemeinsam musizierte. Das Leuchten in den Augen der Bewohner, diese Freude, die ihnen dadurch bereitet wurde, ist einfach immer wieder so schön anzusehen.

Am Heimweg haben wir mehrfach auf Wunsch der Männer die Route geändert. Zuerst entschieden wir, den Weg über die Sommeralm zu nehmen. Auf dem Weg dorthin beschlossen wir noch einen Abstecher nach St. Kathrein/Offenegg zu machen. Wieder im Tal angekommen wurde der Wunsch geäußert, noch durch die Weizklamm zu fahren – haben wir natürlich gemacht. Wieder zurück im VinziDorf wurde erzählt und gelacht und beschlossen, bald wieder einen Ausflug zu machen.

Auch das ist Teilhabe!

Seit einiger Zeit besitzt ein VinziDorf-Bewohner ein Auto – ja darf das sein? In einer Obdachloseneinrichtung leben und ein Auto besitzen?! Ja, das darf sein, denn: Nur weil man in einer solchen Einrichtung lebt, kann das niemals bedeuten, das Recht darauf verloren zu haben, teil zu haben an Dingen, die für – in unseren Breiten – nahezu alle Menschen selbstverständlich sind.

Ja das darf sein, denn: Nur weil man ein Auto besitzt, kann es sein, dass man dennoch nicht alleine wohnfähig ist.

All unsere Freunde und Unterstützer*innen wissen, dass das VinziDorf ein Ort für Menschen ist, die sonst keine Möglichkeiten und Perspektiven mehr haben. Im letzten Jahrzehnt hat sich die Charakteristik der Menschen, um die es geht, verändert. Heute leben zunehmend mehr Männer, bei denen die Alkoholerkrankung nicht mehr das vorrangige Problem ist, im VinziDorf. Es ist ihre Psyche die von vielen, unterschiedlichen, häufig traumatischen, Erlebnissen schwer geschädigt, ein Leben allein in einer Wohnung unmöglich macht. Manchen dieser Menschen gelingt es, in der Gemeinschaft des VinziDorf mit Unterstützung unseres Teams eine Stabilität zu erreichen, die ein weitgehend „normales“ Leben möglich macht. Dazu gehört auch, einem solchen Menschen zuzugestehen, dass er das Anrecht auf ein eigenes Fahrzeug hat, obwohl er VinziDorf-Bewohner ist. Ihm damit auch die Freiheit und die Möglichkeit zu bieten, seine Chance auf Teilhabe am Leben auszuweiten. Selbständig Ausflüge zu machen (an denen wiederum Mitbewohner* teilhaben können), die ein oder andere Einkaufsfahrt für sich selbst und Mitmenschen zu unternehmen.

Ich würde mir wünschen, dass wir in unserer Gesellschaft so viel Toleranz und Offenheit vorfinden, um auch anzuerkennen, dass Armut mangelnde Teilhabe bedeutet.