Über Geld spricht man nicht, das hat man!

Ob wohlhabend oder mittellos, eines verbindet alle Menschen: Über die finanzielle Situation wird geschwiegen, oft auch gegenüber sich selbst. Die Folgen aus diesem Verhaltensmuster können verheerend sein.

Von: Gabriele Grössbauer

Dieser Beitrag erschien zuerst in der Zeitschrift Armendienst 36/2 im Juni 2021

(c) pixabay

Geld ist ein heikles Thema. Oder kennen Sie jemanden, der im Freundeskreis oder in der Arbeit offen über seinen Verdienst spricht oder über sein Haushaltsbudget diskutiert? Aber warum sind Fragen rund ums Geld tabu, während wir unser Liebesleben mittlerweile locker via Social Media mit der Öffentlichkeit teilen?

Ist es die Befürchtung, dass eine Neiddebatte entsteht – nach dem Motto: Warum verdient er*sie mehr als ich? Oder haben wir Angst als Materialist*innen dazustehen, denen es nur ums Geld geht? Noch schlimmer wird es, wenn Menschen mit ihrem Einkommen nicht mehr auskommen und Geldknappheit entsteht. Dann kommt es zur Verdrängung der Geldprobleme und die Betroffenen stecken sprichwörtlich den Kopf in den Sand. Es kommt Scham hinzu, man fragt sich: „Was mache ich falsch, dass ich nicht mit meinem Geld auskomme?“ Es kommt zur Isolation, die psychische Belastung steigt und nicht selten kommt es dadurch auch zu körperlichen Beschwerden.

Doch Ver- und Überschuldung kann jede*n treffen. Hauptursachen sind Arbeitslosigkeit, in Zeiten der Pandemie auch geringeres Einkommen durch Kurzarbeit, dauerhaftes Niedrigeinkommen (durch prekäre Beschäftigungsverhältnisse), Trennung oder Scheidung, gescheiterte Selbständigkeit, Krankheit oder Sucht, mangelnde finanzielle Alltagskompetenzen und zunehmend auch hohe Mietbelastungen, die die Betroffenen auf Dauer finanziell überfordern. Haushalte mit Kindern sind generell öfter von Verschuldung betroffen als andere Haushalte. Besonders Alleinerziehende verfügen nicht über ein ausreichendes Einkommen, um ihren Lebensunterhalt zu decken und ihren Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Man muss bedenken, dass infolge der steigenden Mieten, oft 50% des Einkommens nur für das Wohnen aufgeht. Dann ist natürlich das Geld knapp für die weiteren Fixkosten wie Auto, Schulbedarf, Kleidung und Essen. Durch Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit verringert sich das Einkommen massiv, sodass die Wohnungen, welche zuvor leistbar waren, nicht mehr bezahlt werden können und dadurch die Suche nach einer kleineren billigeren Wohnung notwendig wird. Noch schlimmer ist es für die Betroffenen, wenn es sich bei der Wohnung um Eigentum handelt, durch geringeres Einkommen die Kredite nicht bezahlt werden können und eine Versteigerung der Wohnung droht.

Das Einkommen in Familien halbiert sich aber auch dann, wenn ein Teil des Paares für einige Zeit kein Einkommen hat, sei es durch Schwangerschaft oder Erkrankung. Dann sind sofort Einsparungen notwendig und es muss gemeinsam über Ausgaben gesprochen werden. Leider zeigt meine langjährige Erfahrung als Schuldnerberaterin, dass oft viel zu spät über die Veränderungen in finanzieller Hinsicht diskutiert wird und erst dadurch die Probleme größer werden. Auch bei Trennungen und Scheidungen gilt es zu bedenken, dass nun zwei Wohnungen zu finanzieren sind, sowie Unterhaltszahlungen für die Kinder fällig werden, dies bedeutet für beide Partner*innen eine finanzielle Mehrbelastung.

Aber auch die Altersarmut nimmt zur. Die Pensionen sind oft viel geringer als das Einkommen zuvor. Eine große finanzielle Belastung für ältere Menschen stellen neben dem Bereich Wohnen die Kosten für Gesundheit dar. Im höheren Alter treten vermehrt Krankheiten auf, häufig auch chronische Krankheiten. Dadurch steigt der Bedarf an spezieller Ernährung, Gesundheitspflege und medizinischen Hilfsmitteln wie beispielsweise Brillen, Hörgeräten und Gehhilfen. Ältere Menschen scheuen sich noch häufiger davor, finanzielle Unterstützungen zu beantragen und müssen so auf vieles verzichten, was sich auf ihre Lebensqualität auswirkt. Es fehlt an Geld für gesellschaftliche Aktivitäten, wie Reisen, Ausflüge, Treffen mit Freunden oder den Besuch kultureller Veranstaltungen. Das kann vor allem bei Alleinlebenden zu Vereinsamung und Isolation führen.

Einkommensreduktionen können nur durch äußerst diszipliniertes Konsumverhalten und sehr strukturierter Geldeinteilung ausgeglichen werden. Ein Verdrängen der Geldknappheit verschlimmert die finanzielle Situation zusehends und kann ganz schnell zu Wohnungsverlust und Obdachlosigkeit führen. Einige meiner Klient*innen in der Schuldnerberatung habe ich bei meinen VinziBus-Ausfahrten als Gäste wieder getroffen. Alle haben mir bestätigt, dass durch vorzeitiges, offenes, ehrliches Ansprechen ihrer Probleme und eigenem Aktivwerden der Wohnungsverlust wahrscheinlich zu verhindern gewesen wäre.

Wichtig erscheint mir daher über Geld und den damit verbundenen Schwierigkeiten zu reden. Durch das gemeinsame Gespräch entstehen neue Perspektiven, wie Wohngemeinschaften, Güterteilung, gegenseitige Unterstützung, etc. und das Leben wird – auch mit wenig Geld – wieder lebenswert.