Hat man eine Wohnung, macht man sich kaum Gedanken über so eine vermeintliche Kleinigkeit, wie eine Meldeadresse. Wie aber sieht es aus, wenn man nicht in dieser glücklichen Situation ist und welche Folgen hat es, wenn man keine Meldeadresse hat?
Von: Mirjam Bauer
Dieser Beitrag erschien zuerst in der Zeitschrift Armendienst 36/2 im Juni 2021

Seitens des Meldeamtes kann auch für obdach- oder wohnungslose Menschen eine Hauptwohnsitzbestätigung ausgestellt werden, wenn die Person seit mindestens einem Monat in der Gemeinde aufhältig ist. Dazu muss eine Kontaktstelle angegeben werden, die regelmäßig aufgesucht wird, etwa eine private Kontaktadresse. In größeren Städten gibt es meist soziale Einrichtungen, wie Notschlafstellen, Tageszentren oder Beratungseinrichtungen, die dieses Service anbieten. Diese Kontaktstelle kann auch als Postadresse genutzt werden. Fehlen diese offiziellen Kontaktstellen, ist es für Menschen ohne festen Wohnsitz schwer, eine private Kontaktstelle anzugeben. Oft fehlen familiäre oder soziale Kontakte, die sich als solche zur Verfügung stellen.
Ohne Post- und Meldeadresse ist man „aufgeschmissen“. Es können keine Leistungen, wie Arbeitslosengeld, Mindestsicherung oder Pension und auch kein neues Bankkonto beantragt werden. Ohne Postadresse erhält man keine behördlichen Schriftstücke – man erfährt nicht, wann ein Gerichtstermin ist oder welche Dokumente etwa für die Beantragung der Mindestsicherung nachgereicht werden müssen – die dann gegebenenfalls abgelehnt wird, weil man seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen ist. Man erhält auch nicht den Brief vom AMS, in dem der nächste Termin steht, der jedoch einzuhalten ist, damit die Geldleistungen nicht gekürzt werden.
Daneben gibt es weitere Angebote, die eng mit einer Meldeadresse verknüpft sind. In vielen Gemeinden muss man eine gewisse Dauer hauptwohnsitzmäßig im Gemeindegebiet gelebt haben, um eine Gemeindewohnung erhalten zu können. In Graz beispielsweise muss man fünf Jahre durchgängig (!) oder in Summe 15 Jahre im Stadtgebiet gemeldet gewesen sein, um eine zumeist günstige Gemeindewohnung anmieten zu können. Die Praxis der Notschlafstelle VinziTel und des Projektes Solido zeigt, dass insbesondere diese durchgängige Meldung bei unseren Gästen nicht gegeben ist. Unsere Bewohner*innen sind oft deutlich über fünf Jahre in Graz aufhältig, weisen aber durch Wohnungswechsel, Aufenthalte in unterschiedlichen Wohneinrichtungen, längere Haft- oder Krankenhausaufenthalte Meldelücken – manchmal nur von wenigen Tagen – auf. Das ist insofern sehr kritisch zu betrachten, da Gemeindewohnungen ein wichtiges Instrument sind, um armutsgefährdete und -betroffene Menschen mit leistbarem Wohnraum zu versorgen, zu dem sie über den privaten Wohnungsmarkt oft keinen Zugang haben.
Ein weiteres Beispiel aus Graz, das die Wichtigkeit der Meldeadresse zeigt, ist die SozialCard, die Menschen mit einem geringen Haushaltseinkommen eine Reihe von Vergünstigungen bietet. Eine davon ist eine ermäßigte Jahreskarte für das Grazer Stadtgebiet, die 50€ kostet. Ohne die Sozialcard sind 298€ mit Hauptwohnsitz in Graz und sogar 473€ ohne die Meldeadresse für eine Jahreskarte zu bezahlen. Die Vergünstigung ist also enorm und die Sozialcard somit eine sehr wichtige Unterstützung für Menschen, die von Armut bedroht oder betroffen sind.

Leider ist diese an eine durchgängige (!) Meldung von einem Jahr im Grazer Stadtgebiet verknüpft. Diejenigen, die diese Vergünstigung also am dringendsten benötigen würden, nämlich obdach- und wohnungslose Menschen, die am extremsten von Armut betroffen sind, können dieses Angebot nicht nutzen, weil ihnen die Meldezeit fehlt. Oft geht es auch hier nur um ein paar Tage, an denen sie nicht gemeldet waren.
Für Menschen ohne festen Wohnsitz ist eine Meldeadresse also keine Kleinigkeit, sondern die Basis, um weitere Themen, wie Finanzen und Wohnversorgung weiter bearbeiten und Schritt für Schritt die eigene Existenz wieder absichern zu können.